Die Hecken-Uni

In der Vergangenheit hat es in Abständen mehrere überbündische Hecken-Unis gegeben: In Israel, in Irland, Rumänien und Estland. Es ging dabei immer um das Gewinnen neuer Erfahrungen, und Zugänge zu den betreffenden Ländern und ganz unmittelbar zu ihren Menschen. In den Hecken-Unis wurde immer diskutiert und dabei gelernt – und zwar immer am jeweiligen aktuellen Ort. Das konnte in einem Kibbuz auf dem Golan sein, auf einer der Aran-Inseln, bei einer Exkursion in den Karpaten oder in der mückenfreien Bar von „oldchurch“ im estnischen Kalda talu. Jeder Ort konnte ein Studienort sein. – Hecken-Uni eben.

Diskutiert und gelernt wurde auch immer bei den vielen Treffen der „MorgenlandfahrerInnen“ der Deutschen Freischar. Das waren aber immer interne Gesprächskreise. Der Meißner 2013 sollte die Chance eröffnen, mit einigen Themen der letzten Jahre einmal in einen größeren überbündischen Kreis zu treten. So entstand die Idee der Hecken-Uni im Rahmen des Westforums auf dem Meißnerlager. An zwei aufeinander folgenden Tagen wurde zunächst je ein Thema zur Diskussion gestellt: Jugend und Bildung, dann Wirtschaft und Kapitalismus. Das Programm konnte aber spontan noch um die hochaktuelle „Datensicherheit“ ergänzt werden.

An jedem der drei Nachmittage (Mo.–Fr.) versammelten sich jeweils um 70 TeilnehmerInnen aus vielen Bünden und mancherlei Alters (zwischen 15 und 82 Jahren), um miteinander einen Diskurs zu gestalten. Zwar gab es im Verlauf der Gespräche immer auch einen gewissen Schwund, aber die große Mehrheit hielt erfreulicherweise durch. Die Motivation war groß.

Jugend und Bildung

Zum ersten Thema, Jugend und Bildung, konnte jede/jeder aus eigener Erfahrung etwas beitragen. Am Anfang standen u. a. Thesen von Roland Eckert, früher Soziologie-Professor in Trier und noch davor im Bund deutscher Jungenschaften (BdJ) aktiv. Er hat gerne an unserer Diskussion in der Hecken-Uni teilgenommen. Nach Rolands Auffassung ist die Jugendbewegung geprägt von „höherer Zwecklosigkeit“, von „Innensicht“, bemüht um die Erkenntnis des „Wesentlichen“ und um „jugendliche Reinheit“. Dennoch sei sie nicht geschützt gegen die Ideologien der Zeit. Ihr Konzept der „Selbsterziehung“ führte/führe allerdings auch zu einer Abgrenzung von der Außenwelt, behalte aber eine schöpferische Bedeutung, auch in den modernen ausdifferenzierten Gesellschaften. Allerdings seien Markt, Staat und gesetztes Recht als Organisationsprinzipien moderner kapitalistischer Gesellschaften nicht durch „Bewegungen“ zu ersetzen. Diese könnten allerdings kreative Energien mobilisieren.

In der Diskussion dieser Thesen wurden Forderungen aufgestellt, nach einem freien, selbstbestimmtes Leben ohne Kontrolle durch äußere Mächte. Die Fragen: „Haben die ausdifferenzierten Bünde ein gemeinsames Ziel und einen gemeinsamen Weg? Wollen die bündischen Gruppen sich nur selbst erleben oder auch in die Gesellschaft wirken?“ wurde nur teilweise beantwortet mit: „Das Konzept von Selbsterziehung und Askese schützt uns und schafft eigene freie Betätigungsfelder.“

Die weitere Diskussion bewegte sich um die Fragen, wie das entwickelte System umfassender Kontrolle von Kindern und Jugendlichen – auch im Bildungssystem – heute zu beurteilen sei und welche Forderungen und Formen der Gegenwehr möglich und nötig seien. Eine Antwort war, dass die Bünde und ihre Gruppen geeignet seien, humane Werte praktisch zu leben, zu erleben. Ihr Ziel und ihre Stärke sei das Schaffen von Freiräumen. In den Bünden könne die/der Einzelne lernen, mit risikobehafteten Zukunftsentscheidungen umzugehen. Im Hintergrund stünde als soziale Absicherung die vertraute Gruppe.

Kapitalismus und Wirtschaft

Die Diskussion um Kapitalismus und Wirtschaft wurde am zweiten Tag durch ein Referat von Wolf Schöde (Freischar) eingeleitet, in dem er sich u. a. mit der Frage einer existierenden „Sozialen Marktwirtschaft“ befasste und mit den Interessen und Handlungsmöglichkeiten der Akteure im Kapitalismus. Die Beteiligung war wieder groß. Am Ende stand – nicht verwunderlich – kein geschlossenes Ergebnis. Dies betraf auch das Thema am Freitag. Lutz Martiny (Deutsche Freischar) hatte als Fachmann für Datensicherheit über die Hintergründe der aktuellen Diskussionen dieses Themas (Snowden-Enthüllungen, Wickileaks) vorgetragen. – Am Ende der wiederum engagierten Diskussion stand die Feststellung, dass der Kampf um die Datensicherheit auf der politischen Ebene geführt werden müsse, um dem Weltbürgerrecht auf informationelle Selbstbestimmung zunächst auch in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen.

Als Resümee bleibt festzuhalten, dass die Hecken-Uni auf dem Meißner einen eigenen (kleinen) Akzent gesetzt hat. Die sehr „bunte“ Teilnehmerschaft hat sich als diskussionsfreudig und diskussionsfähig erwiesen, dabei oft ebenso kritisch wie kenntnisreich. Bleibt zu hoffen, dass ein Diskurs angeregt werden konnte, der – auch anhand anderer gesellschaftlicher Themen – weitergeführt wird.