Befinden sich da wirklich noch viele von uns, „Im jugendbewegten Jetzt“? Ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, von meinen männlichen Vorrednern wohl keiner. Desto mehr freut es mich, dass auch wir einen Platz hier oben gefunden haben. Zeitlich betrachtet sollte die junge Jugendbewegung eigentlich den größten Teil hier oben einnehmen. Auch auf den zahlreichen Vorbereitungstreffen für dieses Lager wurden wir Jungen von dem großen Mitteilungsbedürfnis unserer etwas in die Jahre gekommenen Jugendbewegten oft abgeschreckt. Mit meinen 20 Jahren bin ich wohl einer der jüngsten Bundesführer innerhalb der jungen Jugendbewegung, doch genau diese junge Generation gilt es doch mit diesem Lager zu vertreten.
100 Jahre ist eine verdammt lange Zeit. Wohl kaum einer von uns hier Anwesenden vermag sagen zu können, ich habe sie alle miterlebt. Hätte uns Gegenteiliges wirklich so bereichert? Jemanden hier oben stehen zu haben, obwohl das stehen wohl auch fragwürdig gewesen wäre, der uns von 1913 erzählt hätte. Ich bezweifele dies, denn dieses eine Jahrhundert, das nun hinter uns Meißnerjugendlichen liegt, ist nicht annähernd so wichtig, wie das, was noch vor uns liegt.
Wir schließen den hundertjährigen Kreis. Doch wir eröffnen auch einen Neuen. Und genau dies dürfen wir, mit freudigem Blick auf das Vergangene nie vergessen. Doch was bedeutet das „jugendbewegte Jetzt“ eigentlich?
Für mich bedeutet es ein absolutes Wechselbad der Gefühle, der Eindrücke und Erlebnisse. Aber auf keinen Fall Stillstand und Lethargie. Heute hier morgen dort, sowohl örtlich als auch mental, denn in einem Moment stecke ich noch mitten im Alltagstrott und schon wenige Stunden später stehe ich mit geschnürten Wanderbotten und gepackten Affen auf dem Rücken in einem fremden Land. Wir sind jeden Tag aufs Neue Wanderer zwischen den Welten. Der Fahrtenwind weht, die Fahne geschultert und los geht’s. Eine junge Horde steht hinter mir und sie verlässt sich auf mich. Die große Pflicht, die Verantwortung, aber auch die Chance, Jüngere zu prägen, die Neugier nach dem Fortkommen wach zu halten, Kreativität zu fördern und jeder totalitären Bestrebung energisch entgegen zu wirken.
Fahrt, Lager und Lied sind Ausdruck unserer Freiheit. Diese gilt es durch Entschlossenheit selbstbestimmt zu leben. Die Unruhe in uns wach zu halten. Sich weder im Umgang mit der Sippe, dem Bund noch sich selbst zu schnell zufrieden zu geben. Auch tragen wir die Unruhe in uns, um die Gesellschaft zu verändern. Mit unserem Tun gehen wir jeden Tag einen Schritt weiter dem Ziel, einer etwas besseren Welt, entgegen. Die Jugendbewegung ist einmal als „Deutscher Mikrokosmos des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet worden. Tatsächlich finden sich Jugendbewegte an den verschiedensten Kristallisationspunkten des vergangenen Jahrhunderts. Überall dort, wo Menschen versuchten eine „bessere Welt“, einen „neuen Menschen“ zu schaffen, etwas zu bewegen, stoßen wir auf Jugendbewegte. Unter dem Motto „Wer, wenn nicht wir?“ sollten wir auch in Zukunft weiter auf diesem Weg voranschreiten.
Doch was verbindet die Generationen, was schlägt die Brücke? Es ist die „Bündische Flamme“, die in uns allen lodert. Fernweh, der laute Ruf der Freiheit und die Unruhe in uns, etwas bewegen zu wollen. Schritt für Schritt tragen wir auf unseren Rücken, Ideale durch den Wechsel der Zeit. Manches Mal wohl auch konservative Werte und Traditionen, die auf manch einen veraltet und überzogen wirken mögen. Doch sollten uns diese Traditionen nicht am Fortkommen hemmen. Sie sollten Wegweiser, aber keine Leitplanken sein, die den Weg vorgeben. Einige Fragen und Herausforderungen mit denen sich Jugendbewegte vor hundert Jahren beschäftigt haben sind geblieben. Doch stellt uns die Zeit auch vor ganz neue Probleme, von vielleicht jetzt noch unbekanntem Ausmaß.
Denn die „Digitale Revolution“ bestimmt unser Leben mehr und mehr. Außerhalb unserer Jugendbewegten Subkultur, aber auch genau hier. Wir sollten uns ihr manchmal wohl ein wenig mehr öffnen, doch nur das Sinnvolle und Nützliche für uns mitnehmen. Muss Jugendbewegtes leben also zwangläufig einen Kampf gegen den Alltag bedeuten?
Meiner Meinung nach ist die Antwort „Nein!“, doch wir sollten uns den Fluchtweg ins Fahrtenleben immer offen halten, wenn wir wieder mit medialer Reizüberflutung konfrontiert werden. Wir sollten uns in Zukunft nicht völlig abhängig machen vom Digitalen und Virtuellen, das uns manches Mal nützlich oder bequem erscheint. Es gibt noch ein Zusammenleben, bei dem persönlich miteinander kommuniziert und interagiert wird. Wenn wir auf uns schauen, auf unsere Fahrten und auch auf dieses Lager, wird es deutlich. Ja! Smartphone, Laptop, Facebook, Twitter - wir schätzen euch, doch innerhalb unserer Bewegung können wir auch ohne euch leben. Dieses Wissen und die Bereitschaft, sich nicht nur auf die Technik oder den Mainstream zu verlassen, ist es doch, was uns von anderen unterscheidet.
Jugend
hat ihre Zeit
Jede Zeit
hat ihre Jugend
Jugendbewegung
ist zeitlos
Der Zeitgeist sagt: „Die Jugend von heute“…!
Die Jugend fragt: „Was kann ich dafür“…?
Die Jugendbewegung antwortet: „Was können wir dafür TUN“
— Meißnernacht-Wanderung, 20.10.2012, Autor: Roczie
Oft schon wurde die Jugendbewegung, unsere Bewegung, für Tod erklärt! Es heißt jedoch: „Todgesagte leben länger“.
Tun sie es tatsächlich? Es liegt an uns!